„Antivirus-Programm“: Carl-Benz-Schule macht mit digitalen Unterrichtskonzepten aus Not eine Tugend

Online-Unterricht sorgt für positives Feedback aller Beteiligten - ein Lagebericht.
 

Dunkle Gänge, leere Klassenzimmer, schreiende Stille. Wenn Klaus Zeimer, Schulleiter der Mannheimer Carl-Benz-Schule, und sein Stellvertreter Timo Kunicke momentan durch die Räumlichkeiten ihres normalerweise so fröhlichen und belebten Schulhauses blicken, dann können sie förmlich spüren, dass die Menschen weltweit in beklemmenden und herausfordernden Tagen leben. „Es wirkt immer noch surreal, wie in einer apokalyptischen TV-Serie.“, gibt Klaus Zeimer Einblick in sein Innenleben.

Sein ernster Blick fällt auf ein Klassenzimmer, in dem sonst angeregt über spannende Themen diskutiert, mathematische Rätsel gelöst oder technische Fragestellungen erörtert werden: Die Tafel seit Wochen unbeschrieben, der Beamer unbenutzt, Tische und Stühle verwaist.

„Wie jede andere Schule standen auch wir vor der Herausforderung, den Unterricht von den echten in virtuelle Klassenzimmer zu verlegen und das quasi von einem Tag auf den anderen. Getreu unserem Schulmotto: „Wir gestalten Zukunft mit Technik“ haben wir aber zügig in den „Jetzt erst recht“-Modus geschaltet.“, führt der Schulleiter aus, ordnet die Situation aber gleichzeitig auch ein: „Das Bildungswesen bleibt natürlich nachwievor einer der wichtigsten Eckpfeiler unserer Gesellschaft, aber in solch einer Situation zählt zunächst einmal nur eines - die Gesundheit aller am Schulleben Beteiligten und deren Familien.“ Nach dem ersten Schock habe man dann schnell konzeptionell gearbeitet, so Zeimer. Wichtig sei es zunächst gewesen, funktionierende Kommunikationswege zwischen den Lehrkräften und ihren Schülerinnen und Schülern zu etablieren. „Den Unterricht auf digitale Weise sinnvoll weiterzuführen ist das eine. Als mindestens ebenso wichtig sehen wir es aber an, dass wir auch aus der Distanz als Schule, als Lehrkräfte, als Bezugspersonen für die jungen Menschen erreichbar sind und ihnen zeigen: Wir sind für Euch auch in diesen Zeiten da, wir sind weiterhin an Eurer Seite“, ergänzt Timo Kunicke.

Hierfür hat die Schulleitung in Zusammenarbeit mit einigen Lehrkräften in kurzer Zeit diverse Kommunikationsmittel und Online-Plattformen eingeführt, welche es den Lehrerinnen und Lehrern erleichtern, mit ihren Klassen in Verbindung zu bleiben und vor allem ihren Unterricht digital weiterzuführen. „Es war uns wichtig, dem Kollegium rasch gute Optionen an die Hand zu geben. Diese werden auch intensiv genutzt. Genauso relevant war es aber, den Kollegen/-innen auch genügend Freiraum für eigene Ideen, Tools und Innovationen zu lassen. Wir haben ein Kollegium mit einer ausgeprägten Medienkompetenz und die wollten wir auf keinen Fall eingrenzen.“, erläutert Klaus Zeimer.

Die digitale Konzeption, mit der der Unterricht in diesen Tagen weitergeführt wird, erweist sich als ausgeklügeltes System mit großer methodischer Bandbreite. Live-Online-Unterricht in virtuellen Klassenzimmern sei ebenso Bestandteil wie zeitversetztes Arbeiten, berichtet Zeimer. Viele motivierende Apps und sinnvolle Online-Tools würden von den Lehrkräften getestet und bei Gefallen eingesetzt, darunter Quiz-Spiele, Umfragetools oder auch sogennannte „Etherpads“, mit denen Schülerinnen und Schüler gemeinsam und vor allem zeitgleich Texte produzieren oder gegenseitig überarbeiten können.

Eine wichtige Direktive sei es auch, die Eigenverantwortlichkeit der Schüler/-innen zu stärken. So würden Lehrkräfte häufig Lösungen zu den Arbeitsblättern hinzufügen, damit die Jugendlichen in individuellem Lerntempo und nach eigener Zeit- und Lernsituation arbeiten und sich selbst überprüfen können. „Individuelle Förderung ist ohnehin ein wichtiger Eckpfeiler unseres pädagogischen Konzepts. Gerade in der Corona-Krise, in der die Familien ohnehin stark belastet sind, ist es wichtig, den Schülerinnen und Schülern Vertrauen entgegen zu bringen und sie so arbeiten zu lassen, dass sie eigenständig entscheiden können, wann sie die Aufgaben erledigen.“, macht Klaus Zeimer klar. Aber natürlich gebe es auch Varianten, in denen Fristen vorgegeben würden. Beispielsweise im Fach Deutsch, in dem die Schüler/-innen Probeaufsätze schreiben oder einzelne Aufsatzteile üben sollen, um dann von den Lehrkräften dezidierte Tipps und Hinweise zu ihren Texten zu erhalten.

Das Online-Konzept ist also vielfältig - und scheint den Nerv und den Geschmack der Schülerschaft zu treffen. Man erhalte sehr viel positives Feedback zu dem, was die Lehrkräfte auf die Beine stellen würden, auch wenn es in einigen Bereichen natürlich noch Potenzial gebe, Details noch weiter zu verbessern und die Strukturen noch geschmeidiger zu gestalten. „Die Situation mit den geschlossenen Schulhäusern ist Neuland für alle Beteiligten und sowohl für unsere Schülerschaft als auch für unsere Lehrkräfte eine immense Herausforderung, die allen sehr viel abverlangt.“, macht Timo Kunicke klar. Es sei nicht einfach, alle Komponenten - die motivierende Aktivierung der Klassen, das sinnvolle Vorantreiben des Unterrichts in einer rein digitalen Unterrichtssituation, aber auch die Beachtung der natürlich auch in solchen Zeiten geltenden Datenschutzvorschriften - zu einem stimmigen Gesamtpaket zu verbinden. „Man ist da als Schulleitung wirklich begeistert, zu sehen, wie Lehrer/-innen und Schüler/-innen die Lage meistern. Man kann eindeutig sagen: Wir machen an der CBS eine Not zur Tugend.“, so Kunicke.

Klaus Zeimer ergänzt, was er von der unglücklichen Bezeichnung „Corona-Ferien“ hält, die sich im öffentlichen Sprachgebrauch in Teilen etabliert hat: „Wer glaubt, Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler würden zu Hause die Füße hochlegen, der irrt gewaltig. Diese Art von Unterricht, auch wenn sie von „zu Hause aus“ stattfindet, ist mit enormem Aufwand verbunden, für alle Beteiligten.“, betont Zeimer. Sowohl Schülerinnen und Schüler als auch die Lehrkräfte müssten sich mit neuen Arbeitsmethoden und Tools auseinandersetzen. Viel Zeit werde in die Suche nach neuen und noch besseren Anwendungen und digitalen Hilfsmitteln investiert - zahlreiche Lehrkräfte würden sogar diverse Online-Fortbildungen und Webinare belegen, um neue Ideen und Tools kennenzulernen. „Nicht alle Anwendungen funktionieren beim ersten Mal so wie gewünscht. Es erfordert viel Geduld, Zeit und Mühe, diese Tools nicht nur zu erlernen, sondern auch die Durchführung für seinen individuellen Zweck zu perfektionieren.“ Darüber hinaus sei auch die ausschließlich digital stattfindende Kommunikation zwischen den Lehrkräften und ihren vielen Schülerinnen und Schülern ein enormer Zeitfresser, den man von außen betrachtet leicht unterschätzen könne.

„Man muss eindeutig konstatieren: Der zeitliche und inhaltliche Aufwand, den unsere Lehrkräfte betreiben, ist immens und gleiches gilt auch für die Schülerinnen und Schüler, die ebenso großen Einsatz zeigen. Alle Beteiligten legen so viel Eifer und Motivation an den Tag, dass die Herausforderungen gemeistert werden und ein funktionierendes digitales Unterrichtssystem etabliert werden konnte. Und dafür möchte ich allen Beteiligten danken und meine Anerkennung aussprechen.“, sagt der CBS-Schulleiter voller Überzeugung und Stolz. „Die gemeinsame Arbeit und Interaktion eines normalen Unterrichts im Klassenzimmer ist einfach durch nichts gleichwertig zu ersetzen, das ist klar und deren Wert zeigt sich gerade in Zeiten wie diesen. Jedoch werden die neuen digitalen Methoden und Ideen sowie das erworbene digitale Know-How sicherlich auch dann eine Bereicherung des Unterrichtsgeschehens sein, wenn die Krise gemeistert sein wird und wieder regulärer Unterricht in den Schulen stattfinden kann. Vielleicht hilft das dabei, Schule ein wenig neu zu denken.“

In dieser Krise zeigt sich aber auch, dass die Schulgemeinschaft noch enger zusammengerückt ist - „natürlich nur im übertragenen Sinne“, merkt Zeimer schmunzelnd an. Denn der Einsatz und die Motivation bei dem Erledigen der ihnen gestellten Aufgaben gelte nicht nur für die Vollzeitklassen des Technischen Gymnasiums oder des Berufskollegs, sondern ganz explizit auch für die Berufsschulklassen, welche die CBS in Teilzeit im Rahmen ihrer Ausbildung in namhaften Partnerbetrieben besuchen. „Die ohnehin intensive Koordination zwischen den Ausbildungsbetrieben und unserer Schule ist noch einmal gesteigert worden.“, betont Zeimer. Der Austausch mit den Betrieben laufe „überragend“, die Zusammenarbeit sei sehr konstruktiv. „Hier ziehen alle an einem Strang.“ Das Verständnis der Betriebe sei enorm, ebenso das Interesse daran, was den Azubis im digitalen Unterricht angeboten würde. „Diese gegenseitige Wertschätzung und Rücksichtnahme ist die Basis dafür, dass die Schülerinnen und Schüler der Berufsschulklassen, trotz der momentan nicht immer ganz einfachen Situation in ihren Betrieben, den digitalen Unterricht voller Ehrgeiz und mit großem Einsatz bestreiten.“, erläutert Zeimer.

„Das leere Schulhaus erfährt übrigens auch selbst noch einige Veränderungen.“, verrät Klaus Zeimer zum Abschluss. „Schon weit vor der Corona-Krise hatten wir gewisse Bestellungen getätigt, um die Atmosphäre des Schulhauses noch weiter zu verschönern, zum Beispiel durch Pflanzenkübel.“ Diese seien nun eingetroffen und bereits effektvoll im Haus platziert, so Zeimer. „Das Herzstück dieser Veränderungen war aber die Bestellung von zahlreichen Tischen und Sitzelementen, welche wir an verschiedenen Stellen im Schulhaus, unter anderem im Foyer, aufstellen wollten. Gerade das Foyer, in der Nähe des neuen Schul-Bistros, sollte durch diese Möbel zu einem Ort der Begegnung und des Austausches werden. Mittlerweile stehen diese Möbel an Ort und Stelle - sind aber durch die Ereignisse, von denen wir alle überrollt wurden, momentan eher ein Sinnbild für die beklemmende Phase, in der wir uns alle befinden.“, seufzt der Schulleiter. Man merkt ihm an, wir sehr ihn die Situation bedrückt...wie sehr es ihm am Herzen liegt, dass alle am Schulleben Beteiligten gesund bleiben - und irgendwann munter und fröhlich an diesen Tischen im Foyer zusammensitzen, miteinander plaudern und zusammen lachen werden. „Deshalb betrachten wir diesen momentan so stillen Ort der Begegnung nicht als Hohn, sondern wir sehen ihn als Symbol der Hoffnung und als Vorboten für bessere und fröhlichere Zeiten.“, merkt Zeimer an - und ein Lächeln der Zuversicht umspielt seine Lippen.

 

Thomas Kindermann